Wie ich mit ketogener Ernährung meine Lebensqualität erhöhte
Ein Gastartikel von Mar Ei Opp
Seit dem 01.08.2018 arbeite ich als Praktikantin, oder wie ich es lieber ausdrücke, als Auszubildende KV im dritten Lehrjahr, bei einer Spitex in der Schweiz. Ich bin 38 Jahre alt und befinde mich in einer Umschulung. Meine Erstausbildung absolvierte ich in Deutschland zur Kinderkrankenschwester. Als Pflegefachfrau HF sowie Berufsbildnerin mit SVEB 1 arbeitete ich seit 2002 in der Schweiz.
Im Sommer 2010 wurde bei mir als Zufallsbefund Morbus Addison diagnostiziert. Eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung, die eine dauerhafte Medikation mit Cortison voraussetzt. Auch mit dieser Therapie hat man eine sehr starke Beeinträchtigung der Lebensqualität. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen, aber auch depressive Phasen gehören zum Alltag.
Um eine Ist-Erfassung meiner Knochensubstanz zu machen, wurde 2011 eine Dexamessung durchgeführt. Da es absehbar ist, unter einer Cortisontherapie (auch wenn sie als Ersatztherapie stattfindet) an Osteoporose zu erkranken. Es ist eine Situation, die mir wohl immer im Gedächtnis bleiben wird. Der Professor kam und warf meine Unterlagen mit einem sehr tiefen Seufzer auf den Schreibtisch. „Sie haben Osteoporose, hochgradig.“ Ich war 30 Jahre alt und erhielt innerhalb eines halben Jahres drei Diagnosen chronischer Krankheiten. Denn ein ausgeprägtes Lipödem hatte ich ebenfalls, welches zur gleichen Zeit diagnostiziert wurde. Mein Stoffwechsel spielte quasi verrückt.
Ich arbeitete mit Mehrfach-Behinderten im Dreischichtdienst. Dies war zukünftig nicht mehr möglich. Die IV kam ins Spiel. Jedoch wollte ich nicht in diese „Mühlen“ geraten. Ich bewarb mich auf Stellen ohne Nachtdienst und ohne Schwerstpflege. Privat folgte ein Todesfall nach dem nächsten in der Familie, auch mit Suizidalität. Ein enormer Stressfaktor. Ich erhöhte meine Medikamente und hielt dem stand. Mein Gewicht erhöhte sich jedoch auch. Nachdem ich mich temporär bewies, wurde ich in einem Spital festangestellt und kam zur Ruhe. Ich schaffte es, mein Gewicht zu reduzieren. Machte mehr Sport. Dennoch benötigte ich weiterhin hohe Dosen des Cortisons. Der Job der Pflegefachfrau im Spital war derselbe wie vorher. Auch wenn der Nachtdienst und die Schwerstpflege wegfielen, war es noch immer eine unfassbar anstrengende Tätigkeit, für eine chronisch kranke Person.
Im Sommer 2014 erhielt ich während der Arbeit einen Anruf aus der Notfallpraxis, welche ich eine Woche zuvor ohne Befund besuchte. Ich hatte einen doppelten Fussbruch. Man hatte es fälschlicherweise nicht richtig diagnostiziert. Es folgten acht Monate zuhause. Mehrere Monate ohne Belastung, dann irgendwann die OP und REHA-Phase. In dieser Zeit nahm ich auch das Problem des Lipödems in die Hand. Ich bekam eine Kostengutsprache auf Grund einer massiven Ausprägung III. Grades in Form von Säulenbeinen. Ich hatte drei Liposuktionen in Vollnarkose, welche mir mehr schadeten als mir zu helfen. Ein Kompartementsyndrom, massive Schmerzen, mehrere Kreislaufkrisen und eine Gewichtszunahme von 10 Kg waren die Folge. Mein Beinumfang veränderte sich nur an wenigen Stellen marginal.
Im Spital lief meine Anstellung nach zwei Jahren prozentualer Krankheitszeit aus, da keine Anstellung für mich gefunden wurde. Ich arbeitete in der Augenklinik und in einem Projekt mit. Jedoch gab es viele Mitarbeiter, die wiedereingegliedert werden mussten und deutlich älter waren als ich. Zudem stand mir eine Umschulung zu. Somit entschied ich mich nahtlos in die Umschulung zur Kauffrau überzugehen. Und somit waren drei Jahre gesichert. Auch wenn dies absolut nicht mein Traumjob ist. Was sein muss, muss sein.
Meiner Gesundheit half dies jedoch nicht. Medikamentenumstellungen vertrug ich nicht. Die acht Monate daheim unter hohen Dosen Cortison waren für mein Gewicht schwierig. Meine Psyche war enorm „porös“. Ich hatte Mühe mit Blutzuckerabfällen und Kreislaufproblemen. So begann ich die Ausbildungszeit mit zwei Jahren Vollzeitstudium, welche für mich ein Horror war. Die Konzentrationsstörungen waren enorm. Die Studienzeit intern sowie extern war ein dauerhafter Stress. Mit ca. 150 Prüfungen in zwei Jahren. Schnell griff man da zu schnellen Kohlenhydraten, um genügend Energie zu haben für die nächsten Stunden.
Ende 2017 erlitt ich einen Bandscheibenvorfall, ganz klassisch in der Lendenwirbelsäule. Ich absolvierte die Prüfungen unter starken Schmerzmitteln. Hielt sitzend meine obligatorischen Präsentationen. An den Semesterprüfungen nahm ich fast kollabierend teil. Aber Hauptsache ich nahm teil. Meine Vornoten waren so gut, dass einzig die Teilnahme zählte. Auf keinen Fall wollte ich noch ein Jahr mehr Umschulung. Ich schaffte den Abschluss zum Handelsdiplom mit über 200 Absenzen mit einer Note von 5.2 (in Deutschland 1.8).
Zwei Monate vor dem Abschluss, sah ich einen Bericht im Fernsehen. Es ging um eine Ernährungsform von der ich noch nie hörte, oder sie nicht bewusst wahrnahm. Der Beitrag fesselte mich. Er war wissenschaftlich dargelegt und zeigte eine Ernährungsform, welche als anerkannte Therapie bei Epilepsie sowie Krebs angewendet wird. Der Körper wird dazu angeregt Ketonkörper auszustossen. Der Glukosestoffwechsel wird auf Fettstoffwechsel umgestellt. Ich fing an zu googlen, fand Berichte, Beiträge und Foren. Menschen schrieben, sie hätten Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Hashimoto etc. im Griff und sogar geheilt. Okay, dachte ich, man muss nicht alles glauben was man liest.
Aber ich war in einer Situation in der ich erstens zu allem bereit war und zweitens eh nichts mehr verlieren konnte. Nachdem eine Magenbypass-OP für mich aus verschiedensten Gründen nicht in Frage kam (ich stehe dem sehr kritisch gegenüber), war ich in einem Prozess, das Gewicht sowie Aussehen zu versuchen zu akzeptieren. Die letzten vier Jahre hatte ich durch den Stress und die Cortisontherapie eine Rosacea, periorale Dermatitis entwickelt. Auch diese, hiess es laut Dermatologen, sei nicht wirklich heilbar. Man könne sie nur eindämmen mit diversen Salben und Tinkturen.
Also startete ich den ultimativen Versuch. Ich „Kohlehydratmensch“ versuchte es mit nur 20-30g Kohlenhydraten in 24h auszukommen. Ich lud mir eine App auf das Smartphone, in die ich alle Lebensmittel eintrug. Eine Küchenwaage etc. hatte ich durch unzählige andere Diätversuche sowieso daheim. Und ich schlug mich von Tag zu Tag durch. Schnell ging es mir besser, was die Konzentrationsfähigkeit anging. Ich wurde auch gelassener. War nicht mehr so schnell reizüberflutet wie zuvor. Nach zwei Wochen war die Rosacea weg. Sie war weg, nicht verblasst oder ähnliches, sondern wirklich weg. Das war der Punkt für mich weiter zu machen. Mein Interesse galt meinem Körper. Ist dieser vermaledeite, total kaputte, chronisch kranke Körper in der Lage Ketonkörper zu produzieren? Also besorgte ich mir Ketostix und tatsächlich, ja, er produzierte Ketonkörper. Die ersten zwei Kilos waren auch runter. Das klappte schon lange nicht mehr. Angespornt davon machte ich weiter.
Ich testete bewusst stressige Situationen, setzte mich dem aktiv aus. Alles was früher eine Cortisonerhöhung zur Folge hatte, testete ich, ohne zu erhöhen. Vertrug ich dies, konnte ich reduzieren. Ich schaffte es im Sommer 2018 10 Tage ohne Cortison auszukommen, ehe ich bei meinem behandelnden Arzt anrief und die Situation schilderte. Sofort musste ich zur Untersuchung erscheinen. Mit dem Ergebnis, dass meine Nebennierenrinde noch immer nicht arbeitet und sie weiterhin kein eigenes Cortisol produziert. Ich müsse sofort und unbedingt die Minimaldosis von 20mg Cortison wieder einnehmen. Sonst sei es lebensgefährlich. Ja, das weiss ich alles. Als Mensch mit einer seltenen Krankheit wohl besser als jeder Arzt. Auch deshalb war es mir wichtig einige Jahre zuvor vor Unterassistenten des Luzerner Kantonsspital über diese Krankheit zu sprechen und aufzuklären. Aber jetzt, jetzt ging es mir gut, besser als je zuvor und das Cortison in der Höhe tat mir nicht mehr gut. Jedoch entschied die Vernunft, einen Teil wieder einzunehmen. Aber mein Bauchgefühl und Verstand schickten mich auch zu einem neuen Hausarzt und einem neuen Endokrinologen. Manchmal tut ein Arztwechsel nämlich ganz gut.
Ich ernähre mich seit April 2018 ketogen und nahm bis November 2018 23 Kg ab. 7 kg mühsam zuvor. Der Winter war, weil es Winter war, lowcarb gehalten. Nicht so streng. Jedoch wurde Weizen, Schweinefleisch (Ausnahme Bacon), Teigwaren, Brot, Kartoffeln und Reis sowie alle Zuckerprodukte und Alkohol weiterhin gemieden. Meine Haut und mein eigenes Körpergefühl mussten hinterherkommen.
Aktuell stehe ich bei minus 33.5 Kg. Ich passe von früher Grösse 54/56 jetzt in eine Größe 44! Ich habe keine Rosacea mehr gesehen seit April 2018. Mein Lipödem geht zurück, auch durch die Einnahme der Steinkleekapseln, auf die ich durch den Blog von Karen Wiltner stiess. Meine Konzentration und Leistungsfähigkeit sind zurück. Ich schwimme inzwischen 3000 m und wandere über 10 km. Ich habe auch keine Osteoporose mehr. Von einem T-Wert von -3.9 auf -2.1, „nur noch“ Osteopenie in der Wirbelsäule. Im Schenkelhals grünes Licht. Und die Therapie geht weiter.
Das Beste!!! Mein Cortison ist auf ein absolutes Minimum reduziert. Ich benötige tage-wochenweise gar kein Cortison mehr – entgegen jeglicher schulmedizinischen Meinung.
Mein Leben als Vollzeitpflegefachfrau im Spital mit Reanimationen, Suiziden, Nachtwachen und Notfällen rund um die Uhr, gibt es nicht mehr. Privat habe ich Negativfaktoren und Stressoren reduziert. Die Natur ist mein zweites Zuhause geworden. Ich bin achtsamer geworden, mit mir selbst. Die Ernährung ist anders, aber toll. Ich hungere nicht. Ich esse mehr als je zuvor. Ich war übergewichtig mit Lipödem, war aber mangelernährt. Ich ass mein ganzes Leben nur minimal Fett und die letzten Jahre sicher nie die Kalorien für meinen Grundumsatz. Ich wollte ja abnehmen.
Jetzt mit über 2000kcal am Tag und einem Fettprozentsatz von 75-80% im Essen nehme ich ab und „habe mich gesund gemacht“.
Geheilt sein wird man mit chronischen Erkrankungen nie. Aber man kann vieles tun, um diese so zu verbessern, dass man eine grösstmögliche Lebensqualität wieder herstellt.
Inzwischen habe ich auch eine Festanstellung gefunden und werde ab Herbst wieder 100% arbeiten in einer Kombination beider erlernten Berufe. Ich bin angekommen …
Ihr könnt mich und meinen Werdegang, sowie viele tolle Foodblogger-Pictures bei Instagram verfolgen. (Mar Ei Opp)
Und wenn ihr eine Organisation unterstützen wollt, dann googelt teamaddisonglobal. Dies ist eine von Martin Norrman gegründete Organisation in Schweden, die weltweit für mehr Aufmerksamkeit für die Erkrankung des Morbus Addison kämpft. Eine gar nicht so seltene Erkrankung bei 5 von 100‘000 Betroffenen, aber seltenst in Funk und Fernsehen erwähnt.
Wer erfahren möchte, was Morbus Addison bedeutet und ausmacht, sollte sich diesen Film ansehen. The last remaining light von Martin Wallgren
Danke euch für’s Lesen meines Artikels.
Ganz liebe Grüsse eure Marei
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